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Gute Passivität

„Ich werde krank werden, dann wird er Zeit für dich haben,“ sagte der Körper zur Seele.

Ein sinnvolles Leben gelingt weniger, indem wir diversen Ratgebern folgen, sondern indem wir unseren eigenen Sinn stärken und das, worüber wir uns freuen. Unser Eigensinn und unsere Lebensfreude stärken unseren Lebenssinn. So betrachtet ist Sinn die Sprache der Seele und nicht die Sprache der Normen und Vorschriften.

Gelehrt und vermittelt wird uns, wenn wir möglichst viel leisten, dann gelingt unser Leben und wir sind ein brauchbares Mitglied der Gesellschaft. Aktivität ist nicht nur eine gute Sache, sondern ein wesentliches Merkmal unseres Menschseins. Kritisch wird es dort, wo das aktive Leben als einzig lohnendes Ziel anvisiert wird. Irgendwann kommt für jeden Menschen der Zeitpunkt, an dem eine gute Passivität gefragt ist. Menschen müssen weder repariert noch ausgetauscht werden, wenn sie erschöpft sind oder krank. Reparieren ist die Art und Weise, wie man mit Sachen und leblosen Dingen umgeht. Behandelt man Menschen wie Maschinen, dann leugnet man auf tiefgreifende Weise das Leben selbst. Wer in der Pflege der seelischen Widerstandskraft nur das einwandfreie Funktionieren im Blick hat, der wird irgendwann erfahren, dass ihm das Leben keine Kraft mehr für rentable Nützlichkeit schenkt.

Zu viel Aktionismus führt in den meisten Lebenslagen zu keinen guten Ergebnissen. Was noch gravierender ist, wir verlernen die Fähigkeit, unsere Körpersignale wahrzunehmen. Die überzogenen Ansprüche unseres Verstandes sind die Basis für Verwirrung und Scheitern. Demgegenüber ist unser Körper unser treuester Freund, jener Leib, dem wir unsere Leistungsfähigkeit verdanken und unsere Bewegungsmöglichkeit.

Die meisten Menschen schätzen den Verstand wesentlich höher ein, als das Gefühl. Aufgrund dieser Tatsache muss sich unsere Seele etwas einfallen lassen, damit sie gehört wird. Es gibt wohl eine Besitzstörungsklage, aber keine Seelenstörungsklage. Da unser Verstand mit anderen Dingen beschäftigt ist, wenn Gefühle laut werden, ist unser Körper der beste Freund unserer Seele. Die Seele meldet ihre Bedürfnisse und Stimmungen.

Ulrich Schaffer hat dies sehr treffend ausgedrückt:
„Geh du vor“, sagte die Seele zum Körper, „auf mich hört er nicht, vielleicht hört er auf dich!“
„Ich werde krank werden, dann wird er Zeit für dich haben,“ sagte der Körper zur Seele.

In vielen Bereichen vertrauen manche der Wissenschaft. Doch hier sind meist Spezialisten am Werk, die einen kleinen Teil betrachten. Vielleicht lassen wir manchmal sogar zu, dass die Wissenschaft unser Leben für uns definiert. Wir sollten nicht vergessen, dass das Leben größer ist als die Wissenschaft.

Es geschehen Dinge, die keine Wissenschaft erklären kann. Wesentliches können wir nicht messen, aber wir erleben, wir wertvoll Begegnungen sein können. Begegnungen mit Menschen und Natur, mit Musik und Literatur und mit so vielen wunderbaren Dingen, die uns umgeben. Von Viktor Frankl stammt der Gedanke: „Die Furcht bangt davor, was in der Zukunft verborgen ist; aber der Trost weiß darum, was in der Vergangenheit geborgen ist.“

Es lohnt sich, eine Schatztruhe anzulegen mit all dem herrlichen Geschehen, das man erleben durfte. In schweren Zeiten hilft die Erinnerung an diese guten Zeiten. Manchmal sind es die guten Erinnerungen, die ein Lächeln auf unser Gesicht zaubern.

Weitere Impulse zur Seelennahrung finden Sie auf unserer Homepage:
https://www.logotherapie-tirol.at/aktuell/1-x-pro-monat-seelennahrung/
Ihr Tilo-Team

Das Tiroler Institut für Logotherapie & Existenzanalyse
sagt Ja! zu einer Ökonomie der Menschlichkeit.

Warum es eine Ökonomie der Menschlichkeit braucht: „Menschen geraten in den Zustand dieser Sinnleere, das heißt, sie sind nicht mehr fähig zu erkennen, wofür es sich zu leben lohnt. Wir leisten einen Beitrag, das zu ändern.“